Lebensqualität im Fokus – Prospektive Erfassung bei neuroendokrinen Tumoren

Team
PD Dr. Alexander Weich betreut als Leiter des Zentrums für neuroendokrine Tumoren (NET) am UKW (ENETS CoE) die Patienten mit neuroendokrinen Tumoren. Als ärztlicher Leiter des gastroenterologischen Forschungslabors widmet sich sein multidisziplinäres Team aus Internisten, Ernährungswissenschaftlern, Nuklearmedizinern, Radiologen und Pathologen und Biologen seit Jahren translationalen Projekten zur Erforschung neuer Therapieansätze in neuroendokrinen Tumoren. Das NET-Zentrum ist seit 2016 am Universitätsklinikum Würzburg als "European Neuroendocrine Tumor Society – Center of Excellence" (ENETS CoE) zertifiziert und wurde Ende 2022 mit Bestnote rezertifiziert.

Das ENETS CoE umfasst ein multidisziplinäres Team aus allen Fachabteilungen. Das Kernteam des ENETS CoE umfasst:
- OA PD Dr. A. Weich: Leiter des ENETS CoE und ärztlicher Leiter des gastroenterologischen Labors
- Hr. C. Däubler: Assistenzarzt
- Dr. D. Rogoll: Post-Doc (60%)
- Dr. D. Henniger: Gastroenterologin, Ernährungsmedizinerin
- Prof. Dr. M. Scheurlen: Wissenschaftlicher Mitarbeiter / Senior Consultant
- Fr. J. Fischer: Study-Nurse und Patientenlotsin im ENET-Zentrum
- Fr. L. Retzbach: Assistenzärztin
- Fr. A. Volk und Fr. K. Backhaus: MTA (jeweils 50%)
Die klinische Arbeitsgruppe am NET-Zentrum (ENETS CoE) arbeitet täglich daran, Patienten mit neuroendokrinen Neoplasien nicht nur optimal zur behandeln und die Therapien weiterzuentwickeln, sondern legt auch einen besonderen Schwerpunkt auf erhaltene Lebensqualität unter der onkologischen Therapie.
Motivation und Innovation
Gastroenteropankreatische neuroendokrine Neoplasien (GEP-NEN) sind eine seltene und heterogene Gruppe von Tumorerkrankungen, die aus unterschiedlichen Organen des menschlichen Körpers hervorgehen können. Die Tumoren wachsen in der Regel langsam und bleiben oft lange Zeit unbemerkt, weshalb sie bei Diagnosestellung häufig bereits metastasiert sind. Eine Heilung durch chirurgische Resektion ist daher oft nicht mehr möglich, und langfristige Systemtherapien der Tumorerkrankung sind notwendig. Einige dieser Tumoren können Hormone im Überschuss produzieren (z.B. Serotonin), was zu schwerwiegenden, den Patienten stark beeinträchtigenden Hormonexzess-Syndromen (z.B. Karzinoid-Syndrom) führen kann.
Patientinnen und Patienten mit NET haben wegen der langsamen Wachstumsrate und der Verfügbarkeit zielgerichteter Therapieoptionen auch in der metastasierten Situation eine gute Prognose mit jahrelangem Überleben. In dieser Zeit nehmen die Patienten meist normal am Leben teil und sind mitunter weiterhin berufstätig, während sie eine Vielzahl von Therapien durchlaufen. Manchmal sind in diesem Stadium die Nebenwirkungen der onkologischen Therapie belastender für das körperliche und seelische Wohlbefinden als die Erkrankung selbst. Auch wenn zahlreiche Therapieoptionen verfügbar sind, gibt es kaum Daten zu der optimalen Sequenz der einzelnen Therapien - insbesondere nicht mit Fokus auf möglichst lange Erhaltung der Lebensqualität. Auf dieser sollte aber bei der Wahl der Therapiesequenz gerade bei chronischen und langwierigen Krankheitsverläufen ein besonderer Fokus liegen. Um hier Evidenz zu generieren, will unsere Arbeitsgruppe die Lebensqualität aller Patienten mit fortgeschrittener neuroendokriner Neoplasie am NET-Zentrum prospektiv, systematisch und longitudinal erfassen. Mithilfe eines digital gestützten Fragebogensystems, bei dem die Abfrage über Tablets erfolgt, soll es möglich sein, die individuellen Bedürfnisse und Veränderungen im Befinden der Betroffenen im Zeitverlauf genau zu dokumentieren. So können Ärzte und Therapeuten frühzeitig auf negative Entwicklungen reagieren und die Behandlung optimal anpassen. Die gewonnenen Daten sollen helfen, die Sequenz der zugelassenen Therapien dahingehend zu optimieren, dass den Patienten neben einer über onkologische Wirksamkeit hinaus möglichst lange, gute Lebensqualität erhalten werden kann.
Welche Ziele verfolgt das Projekt?
Das Ziel unseres Projekts besteht darin, die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten mit neuroendokrinen Tumoren systematisch und prospektiv zu erfassen. Durch die regelmäßige Erhebung von standardisierten Fragebögen (u.a. EORTC QLQ-C30), sollen individuelle Belastungen und Veränderungen im Befinden frühzeitig erkannt werden. Eingeschlossene Patienten würden einerseits bereits unmittelbar von der Studie profitieren, da Therapieentscheidungen direkt an den aktuellen Zustand der Betroffenen angepasst werden können und die bestmögliche, verträglichste Behandlung erfolgt. Andererseits sollen die erhobenen Daten langfristig dazu dienen, Evidenz für eine strukturierte Therapiesequenz zu schaffen, die Patienten neben einer über onkologische Wirksamkeit hinaus möglichst lange eine gute Lebensqualität ermöglicht.
Ansatz des Forschungsprojektes
Der Ansatz des Forschungsprojektes beruht auf einem digitalen Erfassungskonzept. Hierbei kommen standardisierte Fragebögen zum Einsatz, die zu definierten Zeitpunkten – etwa vor Therapiebeginn, während der Therapie im Rahmen der Ambulanzbesuche – mittels zweier iPads erfasst werden. Die iPads werden im Wartezimmer an die Patienten ausgegeben und die Daten automatisch in eine pseudonymisierte elektronische Datenbank und in das klinische Datenerfassungssystem überführt. Aus der Datenbank sollen nach 1 Jahr follow-up die ersten wissenschaftlichen Auswertungen durchgeführt werden. Das Projekt ist aber vor allem auf eine langfristige und flächendeckende Datenerfassung ausgerichtet, um die langen Krankheitsverläufe abzubilden. Dies ist essenziell für eine Verbesserung der Datenlage, damit bei der Therapieauswahl der Fokus nicht nur auf der Wirksamkeit des Medikamentes liegt, sondern der Behandlungsplan auch darauf ausgerichtet ist, die Lebensqualität und Funktionsfähigkeit im Alltag möglichst gut zu erhalten.
Außerdem kämen aber unmittelbar gewonnene Daten betroffenen Patienten auch sofort zugute, da die Lebensqualität und Symptome strukturierter und ausführlicher erfasst werden und unmittelbar in die Therapieentscheidungen und die Betreuung der Patienten einfließen. So würden Nebenwirkungen oder Belastungen im Befinden frühzeitig erkannt.
Außerdem könnten die digital erhobenen Symptome und Informationen zur Lebensqualität direkt über das klinische Datenerfassungssystem in den Arztbrief übernommen werden. So soll im Rahmen eines Pilotprojektes auch die Arztbriefschreibung und Ambulanzstruktur verbessert werden.
Welche Krebserkrankung soll behandelt werden?
Neuroendokrine Neoplasien sind eine heterogene Gruppe von Neoplasien, die vermutlich durch die Schädigung von Stammzellen und spezifischen Vorstufen neuroendokriner Zellen entstehen. Sie können in allen Organsystemen des menschlichen Körpers entstehen, sind aber am weitesten verbreitet im Gastrointestinaltrakt (48%-51%), in der Lunge (25%) und im Pankreas (9%). Neuroendokrine Neoplasien galten lange Zeit als sehr selten, aber mehrere große retrospektive Studien beschrieben in den letzten Jahren eine stetige Steigerung der jährlichen Inzidenz von ca. 1 auf 5-7 pro 100 000 Einwohner in den USA. Innerhalb der Gesamtheit neuroendokriner Neoplasien sind Neoplasien mit sehr unterschiedlicher Differenzierung und Wachstumsrate enthalten, die daher sehr unterschiedliche Prognose und Therapiemöglichkeiten aufweisen.
Warum soll das Forschungsprojekt unterstützt werden?
Wir bitten um die Unterstützung für unser Projekt, da wir durch die systematische Erfassung der Lebensqualität und Behandlungszufriedenheit einen wichtigen Beitrag leisten können zur Optimierung der Therapie hinsichtlich einer bestmöglichen Lebensqualität und Wirksamkeit.
Die Förderung wird insbesondere benötigt zur Bereitstellung der digitalen Infrastruktur. Insbesondere ist hier die Anschaffung und Wartung von Tablets, Softwarelizenzen und eine sichere Datenbank zur schnellen und geschützten Erfassung der Lebensqualität notwendig. Diese Investition wird langfristig dabei helfen, dass die Therapie frühzeitig angepasst werden kann, Nebenwirkungen reduziert werden und die Behandlung individuell optimiert wird.
Kurzfristig würden Patienten direkt von einer besseren und frühzeitigeren Erfassung von Nebenwirkungen und Lebensqualitätseinschränkungen profitieren.