Unterstützungsangebot für Menschen mit seltenen Krebsprädispositionssyndromen und ihren Angehörigen
Team
Die AG Maatouk mit dem Schwerpunkt „Seltene Krebsprädispositionssyndrome“ besteht aus Prof. Dr. I. Maatouk (Internist und Psychosomatiker/Psychoonkologe), Antonia Rabe (Psychologin/Wissenschaftliche Mitarbeiterin) und Leonie Winkler (Psychologin/Wissenschaftliche Mitarbeiterin). Die Kolleginnen befassen sich intensiv mit Versorgungsforschung zu beiden Erkrankungen und sind auch klinisch ausgebildet.
Motivation und Innovation
Krebsdispositionssyndrome (KPS) sind seltene genetische Erkrankungen, die das Risiko für die Entwicklung von Krebs deutlich erhöhen. Menschen mit einem KPS tragen eine vererbte Genmutation, die die Fähigkeit des Körpers beeinträchtigt, Zellen zu reparieren und abnormales Wachstum zu verhindern. Durch den Austausch mit Patientenvertretern (der Deutschen Fanconi Anämie Hilfe und der Li-Fraumeni Syndrome Association Deutschland) und im Rahmen eigener Vorarbeiten sehen wir Hinweise darauf, dass trotz extrem hoher Belastungen die psychosoziale Versorgung von Menschen mit Krebsprädispositionssyndromen unzureichend ist. Ein seltenes Krebsprädispositionssyndrom wie das Li-Fraumeni-Syndrom (LFS) oder die Fanconi-Anämie (FA) geht durch das Auftreten einer Krebserkrankung mit starken körperlichen, psychischen und sozialen Herausforderungen einher. Davon ist in der Regel das gesamte Familiensystem betroffen. Sowohl bei Angehörigen, als auch bei Patient:innen sehen wir ein hohes Ausmaß an psychischer Belastung durch Ängste und andere belastende Symptome. Wir möchten die Versorgungsmöglichkeiten für diese nicht ausreichend sichtbaren Gruppen verbessern.
Welche Ziele verfolgt das Projekt?
Ziel ist die Entwicklung eines Beratungsangebotes, das aus persönlichen und digitalen Bausteinen sowie der Möglichkeit der videobasierten Beratung besteht. Die informativen Inhalte zu den beiden Erkrankungen und die psychosozialen Unterstützungsbausteine werden in enger Zusammenarbeit mit Betroffenenvertretungen (Patientenvertretern) und Fachexperten entwickelt. Eine enge Einbindung dieser Gruppe ist wichtig, um die Gruppe bedarfsgerecht zu erreichen und durch eine enge Zusammenarbeit ausreichend Betroffene rekrutieren zu können. Ein langfristiges Ziel ist es, im WERA-Verbund eine deutschlandweit bekannte Anlaufstelle für psychosoziale Belange bei seltenen Krebsprädispositionssyndromen zu entwickeln und hier evidenzbasierte, also wissenschaftlich gut evaluierte Angebote machen zu können. Betroffenen sollen dabei unterstützt werden, besser mit dem Behandlersystem kommunizieren zu können und aktuelles Wissen über die Erkrankungen zu erwerben. Die Intervention wird im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Versorgungsbedarfe und ihre Abdeckung, Lebensqualität und Zufriedenheit der Teilnehmer:innen evaluiert werden. Ein langfristiges wissenschaftliches Ziel ist die Vorbereitung einer größeren klinischen Studie, die auch die Wirksamkeit beweist (evaluative Studie).
Ansatz des Forschungsprojektes
Wir verwenden einen Ansatz der klinischen Versorgungsforschung. Basierend auf der aktuellen Literatur/Studienlage, klinisch-therapeutischer Vorerfahrungen und eigener wissenschaftlicher Vorarbeiten werden ergänzend Patientenvertreter systematisch im Rahmen von Interviews und mit Hilfe von Fragebögen befragt. Die Intervention wird entwickelt und im Rahmen einer Pilotstudie evaluiert. Die Rückmeldungen der Teilnehmenden und Nutzerdaten werden systematisch erfasst und ausgewertet und sollen für eine Überarbeitung/Optimierung der Intervention verwendet werden. Die Ergebnisse fließen in die Entwicklung einer Folgestudie ein.
Welche Krebserkrankung soll behandelt werden?
Das Li-Fraumeni-Syndrom (LFS) ist eine erbliche Veränderung, die das Risiko für die Entwicklung verschiedener Krebsarten stark erhöht. Bereits im Kindes- oder Jugendalter kann es zu Tumoren der Weichteile, Knochen, des Blutes (Leukämie), des Gehirns und der Nebennieren kommen. Bei Frauen besteht außerdem ein deutlich erhöhtes Risiko für Brustkrebs. Schon im ersten Lebensjahr erkranken 4% der Kinder mit LFS an einem Tumor. Bis zum Alter von 5 Jahren steigt diese Zahl auf 22% und bis zum 18. Lebensjahr haben bereits über 40% der Betroffenen einen Tumor entwickelt. Etwa 50% der Frauen mit LFS erkrankt bis zum 30. Lebensjahr an Krebs, bei Männern liegt diese Altersgrenze bei 45 Jahren. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko weiter an: Im Alter von 60 Jahren liegt es bereits bei 80-90%, und mit 70 Jahren ist die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken 100%. Viele Betroffene, die eine Erkrankung überleben erleiden mehrmals im Leben eine Krebserkrankung. Da das LFS zu den aggressivsten Krebsprädispositionssyndromen gehört, ist eine engmaschige medizinische Betreuung der Betroffenen besonders wichtig. Die Fanconi-Anämie (FA) ist eine seltene genetische Erkrankung, die verschiedene Organsysteme des Körpers beeinträchtigen kann. Patienten mit FA tragen ein deutlich erhöhtes Risiko für Blutkrankheiten mit geschwächter Funktion des Knochenmarks. Die Wahrscheinlichkeit, an Leukämie (Blutkrebs) oder anderen Krebsarten zu erkranken, ist bei FA-Patienten stark erhöht. Es finden sich auch weitere Fehlbildungen.
Warum soll das Forschungsprojekt unterstützt werden?
Durch das Projekt schaffen wir es, gemeinsam mit Betroffenen, ein weltweit einmaliges Beratungsangebot zu entwickeln, das auch wissenschaftlich evaluiert wird. Ein erfolgreicher Verlauf schafft eine Vorlage für viele weitere seltene Erkrankungen, die auch im Hinblick auf die psychosoziale Unterstützung adressiert werden müssen, denn es gibt geschätzt über 100 seltene Krebsprädispositionssyndrome.